Lizzie Siddal

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Lasst euch nicht von diesem Porträt aus meiner Jugend täuschen, ich habe seit dem die Inspiration verloren, eine Muse für andere zu sein. Auch der gutaussehende Kommunist, dem ich hier geholfen habe, seine Fahne zu fertigen, bedeutet mir nicht mehr als eine Erinnerung. 

Das ist zwar viel, aber heute demonstriert er dafür, andere zu etwas zu zwingen, was sie nicht wollen. Und das hat mich ebenso stark desillusioniert, wie ich andere desillusioniert habe, indem ich alt und grau wurde. Aber ich habe mich mit Geschichte beschäftigt und endlich eingesehen, dass dies schon immer so war. Schon der lustig-traurige François Villon hat es gesehen und Abermillionen Frauen und auch Männer haben es auch gesehen. 

Ich habe schon Frauen gesehen, die mit Tränen in den Augen zu mir sagten: „Ich habe doch immer nur versucht, es allen Recht zu machen.“ Ich war nicht so kalt zu sagen: „Ja, zu gefallen. Was schlichte Eitelkeit ist und heißt, eine Pose einzunehmen, die was hermacht.“

Das Problem verstehe ich schon, wie man damit umgeht, ist die Frage. Ich habe keine Antwort darauf, ich kann nur mitteilen, dass ich anfing Max Stirner zu lesen und beschlossen habe, meine eigene Muse zu werden:

„Der Mensch ist der Mensch überhaupt und insofern Jeder, der Mensch ist. Nun soll Jeder die ewigen Menschenrechte haben, und in der vollkommenen „Demokratie“ oder, wie es richtiger heißen müßte – Anthropokratie, nach der Meinung der Kommunisten sie genießen. Aber nur Ich habe Alles, was Ich Mir – verschaffe; als Mensch habe Ich nichtS.  Man möchte jedem Menschen alles Gute zufließen lassen, bloß weil er den Titel „Mensch“ hat. Ich aber lege den Akzent auf Mich, nicht darauf, daß Ich Mensch bin.

Der Mensch ist nur etwas als meine Eigenschaft (Eigentum), wie die Männlichkeit oder Weiblichkeit. Die Alten fanden das Ideal darin, daß man im vollen Sinne Mann sei; ihre Tugend ist virtus und arete , d. h. Männlichkeit. Was soll man von einem Weibe denken, die nur vollkommen „Weib“ sein wollte? Das ist nicht jeder gegeben und Manche würde sich damit ein unerreichbares Ziel setzen. Weiblich dagegen ist sie ohnehin, von Natur, die Weiblichkeit ist ihre Eigenschaft, und sie braucht der „echten Weiblichkeit“ nicht. Ich bin Mensch, gerade so, wie die Erde Stern ist. So lächerlich es wäre der Erde die Aufgabe zu stellen, ein „rechter Stern“ zu sein, so lächerlich ist’s, Mir als Beruf aufzubürden, ein „rechter Mensch“ zu sein.

Wenn Fichte sagt: „Das Ich ist Alles“, so scheint dies mit meinen Aufstellungen vollkommen zu harmonieren. Allein nicht das Ich ist Alles, sondern das Ich zerstört Alles, und nur das sich selbst auflösende Ich, das nie seiende Ich, das – endliche Ich ist wirklich Ich. Fichte spricht vom „absoluten“ Ich, Ich aber spreche von Mir, dem vergänglichen Ich.“ – aus: Max Stirner, Der Einzige und sein Eigentum