Hommage an Homer zu Corona Zeiten

Print Friendly, PDF & Email

„Nenne mir, Muse, die Geistverwirrten, die Verblendeten,
die gleich der schafäugigen Herde  im Land der Teutonen…

…kreuz und quer viele Städte der Menschen heimgesucht,
wo sie den Sinn der Bewohner verwirrt und viel bittren
Zwist in ihre Herzen gebracht und im frevelnden Wahne
sich der göttlichen Gabe des Denkens gerühmt…“
Ihr, der hauptumlockten Kanzlerin, antwortete die
strahlenäugige Nymphe Ratiolina mit spröder Stimme:

„Seltsam, wie die Wähler dem schleppfüßigen Rindvieh,
gleichen, welches hirnlos muhend zur Futterraufe drängt,
sich aber als Krone der Schöpfung wähnen, hierbei aber
der Wahrheit ihrer Sinne und ihres Verstandes misstrauend,
und stattdessen dem brünstigen Gebrüll ihres Stieres folgen
in den Schlachthof des Verderbens…“

Ihr erwiderte die kummerbeladene Maid im berlinischen Olymp:

„O sei willkommen meine märkische Muse und tröste mich in dieser
schweren Zeit, stärke dich an meiner Tafel, die ich kundig zubereitet.
Lockt Dich etwa der Kloppschinken, garniert mit Fliederkräude oder
möchtest Du lieber vom wurstigen Wrukeneintopf  kosten?
So glaube mir, da lässt Du himmlisches Ambrosia und Nektar
und mästest Dich wollüstig wie rosige Sauen
an deftigen Fleischtrögen uckermärkischer Auen..“

Doch es beliebte den Göttern in ihrem unerforschlichen Rat,
das vertraute weibliche Schmausen rüde zu stören.
Auf ihr Geheiß eilte mit hurtigen Schenkeln der Fürst der Bajuwaren
dunkelumwölkten Hauptes in die heil´gen Hallen, welche die Weisheit
des Bundes aller Stämme der wackeren Teutonen mütterlich bergen,
die Zepter tragende Hausherrin mit zornmütigem Wort den knappen
Gruß entbietend „Grieß Eahna, liabe Kanzlerin! Guat schaun´s aus!“

Da sprach die holde Hausherrin zu ihrer herben Gefährtin:

„Dunkel ist der Rede Sinn. Sag an, welch wunderliche Laute sind aus
seinen wulstigen Lippen gewichen, die dem Blöken des bepelzten
Schafsbockes ähneln, jedoch jeglichen Sinnes entbehren?“
Ihr, der Meisterin entgegnete drauf die klugäugige Nymphe Ratiolina:
„Der grobschlächtige Recke, den Dir, oh Kanzlerin, die Götter gesandt,
er herrscht in südlichen Gefilden, im grünen Bayernland, da wo das
milchspendende Hornvieh auf grüner Aue äset und die heimischen
Stämme Menschen- und Tierlaute zu einer gar lustigen Zunge vermengen.
So scheint mir dieser unverhoffte Gast mehr Viehhirte als Häuptling zu sein,
der wie ein brünstiger Stier Euren Palast,
holde Kanzlerin, mit einem Stall verwechselt,
hoffend hier eine hitzige Magd beglücken zu können.“

Die hoheitliche märkische Meisterin wandte sich mit zierlicher Geste
an den forschen Fremdling:

„Fahrt fort mit Eurer Rede, die Euch den Lippen entsprungen,
und lasset vernehmen, welche Botschaft Ihr uns nun zu künden wisset!“
Der barbarische Bajuware ließ sich nicht lang bitten und hub an:
„O holde Herrscherin im Brandenburgischen Sande,
zwar seid Ihr vom kleinen gedrungenen Wuchse,
doch Rundlichkeit ist keine Schande in diesem Lande,
denn Ihr seid klug wie die strahlenäugige Athene,
so vernehmet die schröckliche Kunde aus meinem Munde:

Auch uns, die gefürchteten Bajuwaren plagen die dämonischen
Corona-Geister; sie werfen aufs Siechbett die stattlichen Recken
und manche erleiden den schmählichen Tod in den Betten,
statt auf dem Felde der Ehre als Held in die Arme Athenes zu sinken.
Selbst Eure Schwester, die leibesmächtige Bavaria, vermochte uns
keinen göttlichen Rat zu erteilen, auch scheint der schäumende
Gerstensaft nicht mehr zu heilen, den wir im Kulte gallonenweise
in sie schütten und hernach aus ihren gewaltigen Brüsten seelig
saugen. Das köstliche Nass spenden wir dann der wogenden Isar,
wo ihre glitschig schuppigen Bewohner sich an diesem Nektar laben,
um endlich trunken in die Netze unserer Fischer zu gleiten,
sodass sich am Ende der Reigen schließet, da wir an festlicher Tafel
die fischige Speise trunken in uns vereinen….“

Also sprach er, und die Herrin im berlinischen Olymp erschrak gar sehr.

In Ihrem Harm verwandelte sich Ihr lippenloser Mund in eine graue,
knotige Schnur, fern von der Lieblichkeit verlockender weiblicher Mäuler.
Wie aus einer trockenen Quelle polterten gleich Steinen Ihre Worte:
„So fahret fort und lasset uns hören,
was denn nun uns allen an höllischen Geister drohet,
sodass wir uns auf einen Zauber besinnen, der diese Dämonen
in unseren Landen bannet!“

Und so hub der hochwüchsige Hüne aus bajuwarischen Gefilden an:

„Wer mich mit Gram erfüllt, o Herrin in unserem trüben Land, 
ist Euer Gefolgsmann aus rheinischen Auen, dessen Name so klingt,
wie wenn aus zahnlosem Munde der oratische Imperativ erschallet:
So laschet unsch beten!

Er ist ein widerlicher Widersacher, der Eure ruhmreiche Kanzlerschaft
zu übernehmen trachtet ungeachtet der Dürftigkeit seiner Gaben und Geistes.
Doch scheint er mir noch die bessere Kür als der dürre hochwüchsige Kerl
vom «schwarzen Felsen», welcher nur güldene Taler zu zählen und horten weiß,
nicht aber die Nöte des Volkes mit seinen gierigen Augen erkennt.
Und schließlich sei noch der dritte Kandidat in meiner Klage genannt,
der ebenfalls Euren Kanzlersessel
mit seinem unterseitigen Abdomen zu beehren gesinnt.
Einst kroch auch er aus sumpfigen Niederungen rheinischer Gefilde.
Nun röttelt er ständig an Gesetz und Recht, wie es jener eifernden Gilde zu eigen,
die für schnödes Geld Gerechtigkeit zu verkaufen sucht….

Nein, o kundige Kanzlerin, laschet…ich meine… lasset von den bösen Buben ab, 
damit das Teutsche Vaterland nicht endgültig zugrunde gerichtet werde.
Denn das geriete übler als die Heimsuchung durch Corona…“

Nach dieser polternden Rede in halbfremder Zunge
senkte sich schweigende Schwärze
auf die Versammelten, die hauptumwölkt verzweifelt grübelten,
was und wie denn nun das alles zu richten sei.

Da gürtete sich die kluge Kanzlerin und sprach also vom hohen Pfühl:

„Kühn war Eure Rede, frank und frei, o stattlicher Hüne aus dem Bayernlande.
Doch bevor ich geruhe, Eure kryptisch klandestine Kandidatur zu erwägen,
sagt an: Seid Ihr wirklich ein barbarischer Bajuware
oder doch eher ein freier Franke,
der sich in bayerischer Tracht und Brauchtum als ein solcher Landsmann hüllt?
Denn im Kampf um die Kür herrschet Ehrlichkeit mit offenem Visier.“

Nun erhob sich der Gast in seinem mächtigen Wuchs zur vollen Höhe und kündete:

„Ja, ich bin´s –o kluge Herrin-, der nichts auf Erden verborgen bleibt.
Ich bin ein Franke und daher abhold jeglicher Häme, Trug und Lug.
Doch ob ich um die Kanzlerschaft wacker tjosten mag, das muss ich dem Ratschlag der Götter überlassen. Denn zu kühn erscheint mir dies Unterfangen.
Ich bitte nur, dass Ihr, o kluge Kanzlerin, jene dreisten Herren in die Schranken zu weisen…“

Ratiolina, die rätselhafte Nymphe sprach die geflügelten Worte in Kürze:

„Diese Freier richten sich selbst. Es bedarf keines Eingreifens unseres Amtes.“

Ob dieser Rede netzten Tränen die Wangen des Gastes und er verhüllte das edle Haupt mit seinem Gewande.

Doch Trost spendete bald ein gar mundig leckeres Gelage und Humpen mit Berliner Weiße, doch diese schmeckte dem Franken wie…nun ja,… wie weiches Wasser…

Und so wartet das Volk geduldig auf die frohe Botschaft,
wer denn als neuer Häuptling der Nation gekürt werden solle.

Während dessen waltet und schaltet Corona in Stadt und Land.

Ob ein Franke auf Erden diese Plage zu beendigen vermag?
Denn der „Münchner im Himmel“ hat anderes im Sinn.