Der verflixte Diminutiv oder „-chen“ und „-lein“…

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…machen alle Leute klein –
eine nicht nur sprachwissenschaftliche Betrachtung

Am Wochenende fegte ein Shitstorm über die BRD. Die Kaiserin und ihre Granden waren nackt, diese Evidenz tat weh. Um die Machthaber*innen bloßzustellen, brauchte es nicht mehr als ein infantiles Gelegenheitsspiel auf einer Trash-App und ein gängiges Mittel morphologischer Wortbildung.

Den Förderpreis für Realsatire hat sich der Landgraf von Thüringen, Bodo der Rammler (vulgo: Ramelow), redlich verdient. Wären Veranstaltungen derzeit möglich, müsste man ihn zu Wagner-Klängen mit einem Festakt auf der Wartburg dafür ehren, die im Corona-Wahn zur überlebensgroßen Schutzmantel-Madonna hochgejubelte Kanzlerin auf Normalmaß (immerhin noch 1,65 m) reduziert und ihre die freiheitlich-demokratische Grundordnung verhöhnenden Hinterzimmer-Konventikel als Narrenposse entlarvt zu haben.

Doch keine Rose ohne Dornen. Während die meisten Menschen und besonders deren degenerierte Mutanten, Politiker genannt, bei ihrer Kommunikation am Konjunktiv scheitern, brach dem tapferen Bodo ein Diminutiv beinahe das Genick. Nur der Korrektheit halber: Das Synonym von Rammler, nämlich „Kaninchen“, zählt im strengen Sinne nicht zu den Diminutiven (grammatischen Verkleinerungsformen von Substantiven), weil es als eigenständiger Begriff lexikalisch erfasst ist – genauso wie Eichhörnchen, Meerschweinchen, Rotkehlchen, aber auch Fräulein oder Zipperlein.

Bei „Merkelchen“ hört jedoch der Spaß auf. Zumal sich spätpubertären Gemütern wenig schmeichelhafte Assoziationen aufdrängen könnten (Ferkelchen, Pummelchen usw.). Die Frage ist bloß, ob es sich beim Suffigieren (Anhängen einer Nachsilbe) von „Merkel“ mit dem Diminutivaffix „chen“ um eine abwertende und herabsetzende (dys- oder kakophemistische bzw. pejorative) oder im Gegenteil um eine verniedlichende oder gar liebkosende (hypokoristische) Verkleinerung handelte. Der allmächtige Meinungs-Mainstream ließ nur die erste Deutung zu, woraufhin sich Bodo, gebührend zerknirscht, zu einem verbalen Kotau vor Mutti verpflichtet fühlte. Hätte er eventuell besser daran getan, statt „Merkelchen“ eben dieses zwar auch verkleinernde, aber irgendwie freundlichere und im Volksmund weit verbreitete „Mutti“ (das sich zu Mutter so verhält wie „Hansi“ zu Hans) bei seinem nächtlichen Clubhouse-Gequassel zu verwenden? Wir werden es nie erfahren.

Was ist eigentlich passiert? Der MP des Freistaates Thüringen plauderte auf einer ziemlich elitären (weil nur für i-Phone-Besitzer über eine kostenpflichtige App verfügbaren) Audio-Plattform aus dem Nähkästchen, und ca. 1.000 Neugierige hörten ihm zu, darunter auch Journalisten, die bekanntlich nie etwas für sich behalten können. Jetzt wissen wir, dass bei den berüchtigten Video-Schalten von Kanzlerin und Provinzfürst*innen, wo es angeblich um Leben und Tod in der Pandemie geht, auch Handy-Spiele gespielt werden, um sich nach „Merkelchens“ ermüdenden Tiraden ein wenig zu entspannen. Bodos bevorzugter Zeitvertreib ist offenbar „Candy Crash“, und das funktioniert folgendermaßen: Man versucht, immer drei oder mehr gleichfarbige Bonbons in eine Reihe zu kriegen und sie dadurch vom Spielfeld zu entfernen. Dazu benutzt man die Maus und tauscht benachbarte Candys untereinander aus, um die Steine in eine waagerechte oder senkrechte Position zu bringen. Alles klar? Bodo schafft, wie er stolz verkündet, schon zehn Level (was immer das heißen mag). Jedenfalls ist dies ein Spiel, das ein Minimum an kindlicher Intelligenz voraussetzt, weswegen es manche Konferenzteilnehmer sicher überfordert. Auch hat der Autor dieser Zeilen einige Mühe, sich etwa Papa Kretschmann bei solch frivolen Beschäftigungen vorzustellen. Vielleicht legt der stattdessen Patiencen…

Leider hat Bodo nicht verraten, ob das „Merkelchen“ auch etwas spielt, wenn es mal Luft holen muss. Der größte Witz der Geschichte kommt aber noch. Den ganzen Ärger mit dem respektlosen Diminutiv hätte der gebürtige Niedersachse, der in Rheinhessen aufwuchs und später Wahl-Thüringer wurde, sich ersparen können, wenn er tiefer in die sprachlichen Eigenheiten der germanophonen Volksstämme eingedrungen wäre. Dann wüsste er, dass der bairische, der schwäbische und der alemannische Dialektraum viel diminutivaffiner sind als die Dialekträume Mittel- und Niederdeutschlands. Im Süden wimmelt es nur so von Häusln und Hascherln, Spezerln und Spatzln, und so ein „Merkele“ hätte zumindest in Stuttgart (wenn auch nicht unbedingt in München) seinen Charme.

Im Grunde aber ist „Merkel“ auch ohne angepapptes Diminutivaffix schon klein genug. Anders ausgedrückt: Die Verkleinerung ist bereits im Namen enthalten – wenigstens in Zentralthüringen, um Erfurt herum. Der dort gesprochene ostmitteldeutsche Dialekt kennt vereinzelt noch das Diminutiv „-el“. Hat Bodo wirklich noch nie ein thüringisches Rostbrätel gegessen, eine marinierte Scheibe vom Schweinenacken, auf Holzkohle gegrillt? Das wäre jammerschade. Statt mit „Merkelchen“ ins Fettnäpfchen zu treten, hätte er einfach nur aus der weiblichen Merkel eine sächliche machen müssen – „das Merkel“, das einem immer so auf die Nerven geht…

Bliebe noch zu klären, wer oder was genau da kleingemacht wird. Mit anderen Worten: Was ist ein oder eine „Merk“? Wir haben die Wahl: entweder eine schottische Münze, die im 16. und 17. Jahrhundert geschlagen wurde und noch bis ins 18. im Umlauf war, oder eine zur Familie der Doldenblütler gehörende Gattung ausdauernd krautiger Pflanzen, die am besten im Sumpf gedeihen. Jawohl, im Sumpf. Das passt doch ausgezeichnet! Dann wäre das Merkel eine kleine Sumpfpflanze. Nicht mehr und nicht weniger. Kann man eine führende Akteurin im politischen Berlin treffender definieren?

Schlussfrage von Rumpelstilzchen (verselbständigtes Diminutiv): Sollen wir mit ihr versumpfen oder doch lieber den Sumpf trockenlegen?

Ein Kommentar

  1. Blendwerk POINTE

    Erst ein nicht bestandener Anti Gen Test schafft Klarheit darüber,
    das “ ein Merkel bleibt ein Zwergel “ weder vom Tier aus, noch im Sinne nachwachsender Rohstoffe, was Pflanzen von Natur aus sind, bewahrheitet. Wie also das, daß ein Merkel reizen kann wird hier nicht nachvollziehbar, es entwischt dem Tür und Angelpunkt und geht in die Hose. Auffällig bleibt, vermeintlichem Humoristen, nur mehr die Flucht ins Pflanzen- oder Tier- Reich.
    Ist es letztendlich das was eine immer währende Flucht zu rechtfertigen lohnt, die eine Welt in Frage stellender humoristischer Zeitgenossen ist, ein fehlendes Reich ?
    Das dem Menschen in diesem Land geraubte Kaiser- Reich ……?
    Sei es drum, Wortgefecht und Wortgewalt erinnern daran, daß der Sprachen- Engel auch ein – Deibel sein kann. Wer hierfür zudem ein Fremdwörterbuch zu Hilfe nimmt sitzt tief in der Falle und so bleibt ihm zu guter letzt nur mehr die Frage ?
    wer hilft mir hier wieder heraus, ohne dabei zu lachen.

    Klara Hellstern