Sciencomedy

Der kategorische Impferativ

Warum mittelalterliche Scholastik so aktuell ist wie noch nie, Teil 1 

 

Als Kind kann man noch nicht so eindeutig unterscheiden zwischen dem Beseelten und dem Unbeseelten. Jeder hat es schon einmal gesehen, wie sich ein Kind an einem Tisch anstößt und ruft „Blöder Tisch!“ und diesen dann schlägt. Und obwohl das Kind selbst seinen Puppen eine Stimme verleiht, weiß es nicht so ganz genau, ob sie eigentlich leben oder nicht. Und wenn es sich einbildet, dass unter seinem Bett ein Ungeheuer sei (eine Idee, die es nur nachts bekommt, das ist vollkommen unlogisch), dann kann es Todesangst verspüren wegen nichts.

Außerdem weiß das Kind zum Teil nicht mal, was es glaubt, weil es noch nie darüber nachgedacht hat. Zu merken, was man glaubt, ist ein wichtiger Schritt in der Entwicklung des Bewusstseins.

Aber mit ungefähr achtzehn Jahren (oder vielleicht, sobald er wahlberechtigt wird), macht der Mensch einen unglaublichen Bewusstseinssprung.

Er verändert seinen Gesichtsausdruck und ist erwachsen.

Im Vergleich mit diesen verwirrten Kindern kann er nun einwandfrei unterscheiden zwischen:

  1. Lebendigem (früher sagte man Beseeltem, aber das ist nicht wissenschaftlich: Menschen, Tiere, ggf. Pflanzen, das ist nicht so ganz klar, die Biologie weiß es noch nicht),

  2. Toten Gegenständen, z.B. Tisch und

  3. Konzepten. Besonders dieses Dritte scheint ihn so unglaublich erwachsen zu machen, so ernst und nobel. Hier ist der Geist, die Vernunft, der Verstand, die Solidarität usw.

Das frühere Leben der Dummheit aus einer Kindheit scheint wie weggeblasen. Oft bekommt der Mensch dann, wenn er mit Kindern spricht, einen Tonfall als wären sie etwas geistesbehindert und so recht eigentlich gar nicht die Zeitverwendung wert.

Er fängt an, vollkommen absurde Gedankengänge für erhabene Prozesse der Logik zu halten, zum Beispiel:

„Ich denke, also bin ich.“

Das ist nur Scheinlogik, denn das Sein spürt man immer, außer vielleicht im Koma, aber dann ist man zu gar keiner Aussage fähig.

Oder die berühmte Schlussfolgerung aus:

„Alle Menschen sind sterblich“ und „Sokrates ist ein Mensch“ => „Sokrates ist sterblich“

Sokrates ist nicht nur sterblich, er ist sogar tot! Und das weiß jeder, der von Sokrates schon einmal gehört hat, ergo ist das keine Schlussfolgerung. Wenn schon ist es eher umgekehrt: Da bisher alle Menschen irgendwann gestorben sind, zum Beispiel Sokrates, Platon…, wissen wir, dass Menschen insgesamt sterblich sind (Argument per Induktion, statt per Deduktion).

Der Mensch kommt dann auf die Universität und liest Kant. Er findet ihn genial und versteht, dass man Deutschland als das Land der Dichter und Denker bezeichnet, Menschenarten, zu denen er sich jetzt auch zählt.

„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“

(Nebenbemerkung, dieses ‚durch‘ erscheint mir weder logisch noch grammatikalisch richtig.)

Maximen sind mehr oder weniger Kalendersprüche. Kant beweist nirgends, dass ein Handeln nach Kalendersprüchen sinnvoll ist oder das Handeln auf Dauer verbessert. Und dann fordert er auch noch, dass man nur nach dem besten aller Kalendersprüche handeln soll, einen der so gut ist, dass man folglich jeden Menschen zwingen kann und muss, nach diesem zu handeln. Deswegen nennt man diesen ‚der kategorische Imperativ‘.

Das Wort Vernunft ist so schön und rührend, das Wort Kritik ist so maskulin und streitbar, gibt man noch die Reinheit dazu, dann ergibt sich „Die Kritik der reinen Vernunft“. Wahnsinn! Das ist erhaben hoch drei!

„Ich nenne alle subjektiven Grundsätze, die nicht von der Beschaffenheit des Objekts, sondern dem Interesse der Vernunft, in Ansehung einer gewissen möglichen Vollkommenheit der Erkenntnis des Objekts, hergenommen sind, Maximen der Vernunft.“ (- Kant)

Was bedeutet dies? Ich übersetze:

„Ich nenne alle Sprüche, die aus der Wahrnehmung einer einzelnen Person kommen, die nicht mit dem Thema zu tun haben, worum es dem Schein nach geht, sondern mit einem Bild zu tun haben, das die Person von sich hat, ein Bild, das immer mehr aussieht, wie jemand, der weiß, wovon er spricht: Maximen der Vernunft.“

Als Skuptur würde ich mir diese ungefähr so vorstellen: