PALÄSTINA-ISRAEL und zurück

Print Friendly, PDF & Email

Verkriecht man sich in Überlingen ängstlich in der philosemitisch- romantischen Behausung goldbedeckter Kuppeln einer realitätsfernen Verklärung Jerusalems und in Spuren jüdischen Lebens im ausgehenden Mittelalter auf dem Weg ins verklärte „Jetzt“, projeziert also quasi ein „himmlisches Jerusalem“ nur um dem irdischen, der Realität dort heute nicht in die Augen zu sehen?! Natürlich ist „Dachau“ nicht die Westbank. Das Maß an Verdrängung aber gegenüber dem, was in den besetzten Gebieten passiert kann gut mit folgender Analogie wiedergeben.

Einst: Lieber Gott, mach mich stumm, dass ich nicht nach Dachau kumm.

Und heute: Lieber Gott mach Augen krank, dass ich net seh‘ die Westebank.

Wissen die Apologeten eines solchen Israels nicht was dort mit der brutalen Unterdrückungs- und Besatzungsherrschaft seit über 40 Jahren passiert? Dass der Staat Israel konsequent internationale Rechtsprechung und UNO Beschlüsse ignoriert, Menschenrechte mit den Füßen tritt und Verbrechen gegen das Völkerecht begeht?

Oder wird all dies gerade in der christlichen Welt billigend zur Kenntnis genommen unter dem Aspekt biblischer Verheissung und der Heimkehrung des jüdischen Volkes von seiner 2000 jährigen „Reise durch die Diaspora“. Denn wenn Israel „aufsteige“ sind wir Christen alle ein gutes Stück vorangekommen auf dem Wege nach Zion und seinem Messias?!? Lauert da nicht der christliche Antijudaismus des Mittelalters der seinen Gegner ins offene Messer rennen läßt?

„Lasst alle vorrücken und ein paar Hügel einnehmen! Alles, was wir uns nehmen, wird uns gehören, und alles, was wir nicht nehmen, wird uns nicht gehören!“

Ariel Sharon ehem. Ministerpräsident

Wie kruden müsse wir noch argumentieren um „Rechtfertigung“ von Unrecht via Bibel herzustellen? Wozu diese oberflächliche Fetischierung des Jüdischen. Was soll damit eigentlich gesagt werden?

Treibt also in Überlingen die Entkontextualisierung von Zeit und Raum neue Blüte, wenn die Rüstungsindustrie ihr Stelldichein zur Selbstbeweihräucherung gibt, unweit der Stollen wo Arbeiter von Rüstungsbetrieben zu Tode geschunden wurden und in den Ausstellungsräumen der Bank ein Überlebenden der Shoa, Max Mannheimer, womöglich mit einem Teil des Publikums der Ortsrandpartys das „transformierte Grauen“ über sich ergehen lässt?

s.a. Südkurier 05.09.2009

Was ist das für eine Gesellschaft, die sich so gespalten gibt, ohne es zu wissen oder vorgibt Nichts zu wissen?

Verwechselt man in Überlingen am Bodensee Menschen jüdischen Glaubens oder Herkunft mit dem Staate Israel oder Zionismus mit der Kabbala, oder gar die Halacha mit internationalem Recht oder die Haskala und jüdisches Leben im allgemeinen mit einer Art koscheren Romanze?!

Was ist eigentlich gemeint bei jenen, die die Plattitüden erzeugen im medialen Katalog ihrer Veranstaltungen? Erinnerungsarbeit? Welche und an Wen? Exklusive Jiddischkeit in Überlingen, die zum Kitsch verkommt in ihrer zwanghaften Verschwiegenheit aktueller Geschichte gegenüber? Kommt Schweigen von dem Verschweigen dessen, was jüdische Spuren in Überlingen heute noch sind? s.a. Südkurier  >>> Generalstabsschef der IDF in Überlingen

Rüstungskooperation der Firma DIEHL mit der gößten israelischen Waffenschmiede RAFAEL über deren „Tochter“ ERCAS in den Niederlanden.

Als historisch in Verantwortung (als Antwortende) Stehende meinen wir, dass Israel heute nicht ohne den Konflikt gedacht werden kann, der unmittelbar aus seinem Gründungsmythos und dessen unmittelbaren Vorläufern mit hervor gebracht wurde.

Zeigen und erinnern wir also an die jüdischen Ghettos von damals in Deutschland und die palästinensischen Ghettos, Unterdrückung, Diskriminierung und Vertreibung von Heute in Palästina und klären auf!

Thematisieren wir jene Ungeheuerlichkeit der versuchten Berechtigung einer „Judaisierung also Ent-arabisierung ganz Palästinas“ im Rahmen einer sehr real dort praktizierten „exklusionistischen jüdischen Ethnokratie“(12) des radikalen Siedlertums, der Nationalreligiösen und rechter orthodoxer Kreise, was perverser Weise jenem ähnelt was gerade unter anderen Vorzeichen von exklusiver Monstrosität, nämlich einer versuchten „Arisierung der Ostgebiete“ und folgender millionenfachen Vernichtung in der Welt passiert war. Muss diese Geschichte enden in einem: „Vom judenreinen Land der Nazis zum reinen Judenland der israelischen Ethnokratie?!

Enteignung, Konfiszierung, Zerstörung von Haus und Land, Annexion und Okkupation, das sind ethnische Säuberungsprogramm die uns Deutschen doch bestens aus unserer Geschichte bekannt sein dürften!

Unterstützen wir diese Politik Israels den Palästinensern gegenüber, schaffen wir neue Opfer und verhöhnen unsere „direkten Opfer“, die europäischen Juden hin zur Bedeutungslosigkeit.

Rassistisches Denken und Handeln hat noch immer in den Abgrund geführt!

Auch Martin Buber war demgegenüber nicht ganz gefeit, wenn er unkommentiert schreibt:

„Das Besondere dass hier zum Allgemeinen (den Anderen, den nicht Auserwählten, den „Zurückgebliebenen“ ? | Hinzufügung) hinzutritt, konstituiert eine eigene Gattung (also Rasse?) die weit über die Grenze nationaler Probleme hinaus an Menschheitliches, an Kosmisches, ja an das Sein selber rührt.“

Quelle: Martin Buber | Die Idee von Israel und Palästina

Biblisch gesprochen: Jenes Land, welches den Juden von „Gott“ als auserwähltem „Volk Gottes“ versprochen wurde, ist von keinem anderen anzutasten. Er würde sich ja sonst dem göttlichen Willen seines Gottes (auch dem christlichen) und dem Bund mit den Menschen widersetzen. Eine Geisel der Landnahme verpackt in den Pakt mit dem Allerhöchsten. Exklusivität par excellence. Ein Totschlagargument.

Um es klar zu sagen:

Die Existenz des Staates Israels, Atommacht und mit einem der besten und schlagkräftigsten Heere der Welt gerüstet ist Fakt. Sein Existenzrecht alleine schon durch den UNO-Teilungsplan von 1947 durch die Völkergemeinschaft bestätigt und gewünscht. Neueste historische Forschungen israelischer Historiker und Äußerungen ehemaliger Militärs und Geheimdienstleute zeigen, dass die Bedrohungslage in vielen Konflikten (z.B. 1967) weitaus geringer, bzw. durch die israelische Propaganda inszeniert war um immer das Bild der physischen Vernichtung von Land und Leute zu zeichnen.

Was allerdings Israel im kartographischen Sinne sein will, kann nicht durch Berufung auf biblische Aussagen gerechtfertigt werden, dem stehen zivilisatorische Errungenschaften wie Völkerrecht, UNO Resolutionen, reale Geschichte und Menschenrechte entgegen. Wir leben nicht mehr in der Archaik eines nebulösen und mythisch umrankten Altertums, wo Stammesreligionen ihnen gefällige Landnahmen mit Gewalt durchgesetzt haben.

Und doch wird genau dieses in Palästina praktiziert mit der kontinuierlichen Vertreibung und der ethnischen Säuberung der Urbevölkerung Palästinas.

„Wir müssen die Araber vertreiben, und ihre Orte übernehmen.“

David Ben Gurion, zukünftiger Premier von Israel, 1937

„Wir spazierten draussen und Ben Gurion begleitete uns. Allon wiederholte seine Frage ‘Was soll mit der Palästinensischen Bevölkerung passieren?’ Ben-Gurion machte mit der Hand eine Geste, die sagen sollte: ‘Jagd sie raus!’“

Yitzhak Rabin, später zensierte Version von Rabins Memoiren, veröffentlicht New York Times, 23 October 1979.

Schon kurz nach seiner Ankunft in Palästina 1938 prophezeite Martin Buber den Verfechtern eines harten militärischen Vorgehens gegen die damals ihrerseits die britische Mandatsmacht wie die jüdischen Siedler bekämpfenden Araber eine unheilvolle Entwicklung:

„Unsere Gewaltverehrer sind im Begriff, das Arabertum, im Land und außerhalb des Landes, gegen uns zusammenzuschweißen“.

„Nur eine innere Revolution kann die Kraft haben, unser Volk von seiner mörderischen Krankheit grundlosen Hasses zu heilen. Sie wird zwangsläufig unseren vollständigen Untergang hervorrufen. Dann erst werden die Alten wie die Jungen in unserem Land erkennen, wie groß ihre Verantwortung für das Elend der arabischen Flüchtlinge ist, in deren Städten wir Juden angesiedelt haben, die von weit her gebracht wurden; deren Häuser wir geerbt haben, auf deren Feldern wir jetzt sähen und ernten; deren Früchte aus Gärten und von Weinbergen wir einsammeln; und in deren Städten, die wir geraubt haben, wir Häuser der Erziehung, wohltätiger Einrichtungen und des Gebets errichten, während wir herumreden und davon faseln, dass wir „das Volk des Buches“ und „das Licht der Völker“ seien.“

Martin Buber 1952 aus: „Wir sind ein Licht für die Völker“

Könnte es nicht sein, dass gerade die uneingeschränkten Apologeten Israels jene sind die in dem gefährlichen, (weil internationales Recht ignorierenden) Gebaren dieses Staates seinen möglichen Untergang „wittern“? Unterstützen und Befürworten kann immer auch noch eine andere Seite beinhalten. Jene die im Grunde nicht die Wohlwollende ist.

Abscheulich? Allerdings!

Wir Christen sind Bibel-, also Israeltreu, und suchen nur den christlich – jüdischen Dialog mit den heutigen Juden in Israel, die für uns so etwas wie eine „Speerspitze unseres christlichen Glaubens“ mithin dessen Urheber sind also unser, wenn auch gelegentlich (als Nachfolger des christlichen Antijudaismus) immer noch ungeliebtes „Fundament“ sind?!

Es liegt nah am Chauvinismus! Es ist Deutsch-Israelischer Chauvinismus sich gegenseitig spiegelnd.

„Aber was soll’s? Wenn der Schwabe die Waffen nicht liefert, so tut das ein Anderer. Und dass die Amis zu allem bereit sind wissen wir ja. Und da ist es doch besser der Schwabe ist reich, als der Ami, denn der Schwabe zahlt hier Steuern und die brauchen wir für Kitas“.

So ein (satirischer) Leserbrief (Ausschnitt) als Reaktion auf „Heile Welt“ Waffenindustrie am Bodensee vom 04.11.2010 in der ZEIT.

Jedenfalls taugt es nicht dazu offen, transparent und unter Achtung historischer Fakten und grundlegender Menschenrechte argumentativ den Diskurs zu bemühen und sich seiner historischen Verantwortung als denkender Mensch in diesem Land zu stellen und Position zu beziehen.

Denn ein Schuldgefühl gegenüber den Opfern des von unserem Kollektiv ausgegangenem menschenverachtenden Unrechtes darf nicht dazu führen, Rechts- und Menschenrechtsverletzung in der heutigen Zeit zu tolerieren, gerade aber nicht in jenem Land, wo viele Nachfahren dieser Opfer leben und ausgerechnet dort, oft nicht die Willkommensten waren. In Israel, dessen Gründungsvater Ben Gurion im Zusammenhang mit Überlebenden des Holoaust verächtlich von „Menschenstaub“ sprach.

Es wäre eine erneute Verhöhnung von eben „unseren“ Opfern, wenn man quasi in ihrem Namen als Legitimation heutiges Unrecht gegenüber den Menschen in den besetzten Gebieten ignorierte oder gar begünstigt, z.B. durch Geschäfte mit Waffen aus Familien Betrieben wo Vorfahren jener zu Tode gebracht wurden die heute möglicher Weise als Unterdrücker auftreten. Soll sich so der Kreis schließen?

Perversion der Geschichte, Dialog als Motto, oder nur dialogisches Prinzip?

Doch leuchten darf hier nur die goldene Kuppel Jerusalems, die, wer es noch nicht wissen sollte eines der höchsten muslimischen Heiligtümer ist, jener Felsen Dom und nicht etwa der Schimmer eines jüdischen Tempels.

Fehlt es uns schlicht an Informationen? Schwierige Zusammenhänge? Nein, Es ist offensichtlich. Hinschauen, hinterfragen, nachdenken, handeln!