„Bill Evans, der Skrjabin des Jazz“

Print Friendly, PDF & Email

„Jazz ist vielmehr ein Prozess als ein Stil“

„… aber ich sehe, dass Jazz nicht irgendein Stil ist… […], es ist ein Prozess Musik zu entwickeln und eine Minute Musik zu spielen in einer Minute ihrer Entstehung, währenddessen eine Minute Komposition 3 Monate in Anspruch nehmen kann 1

Geschichte einer Suche – Essay in Entwicklung –

Der Titel dieses essay, ein überliefertes Zitat von Glenn Gould über den amerikanischen Jazz Pianisten Bill Evans aus dem booklet von – the complete fantasy recordings, PERSON I KNEW by Gene Lees – läßt aufhorchen. Was hat Gould damit gemeint?

Wie kommt jene Einschätzung des Interpreten klassischer Musik und für seine Bach Interpretationen bekannten Kanadiers zu Stande, die einen Jazz Pianisten in die Reihe mit einem großen europäischen Komponisten der letzten Jahrhundertwende des „Fin de Siècle“ und Belle Époque stellt? Auf welcher Grundlage können wir uns dieser Aussage nähern und nach horchen, um das Spiel von Bill Evans und jenes von Skrjabin näher kennen zu lernen?

Ausgehend von einer Aufnahme des Titel

„I will say good by“ (take 2) von Michel Legrand 

Bill Evans, „i will say good by“

und Skrjabin’s Etude in Cis Moll op. 2 no. 1, gespielt von Svjatoslaw Richter 

Cis Moll op. 2 no. 1, gespielt von Svjatoslaw Richter 

und schließlich Skrjabin selbst,

A. Skrjabin, Cis Moll op. 2 no. 1, gespielt vom Komponisten

Weitere Stücke die in die Betrachtung mit einfließen werden:

A. Skriabin Feuillet d’Album op. 45 | gespielt von: Igor Riabov

folgt eine Annäherung an einen Stil und Haltung, welche die Frage aufwirft, was in Evan’s Spiel an Skrjabin erinnern könnte und wie diese Einflüsse möglicher Weise zu Stande kamen. Bill Evans Interpretation gewann 1981, ein Jahr nach seinem Tod im September 1980 den Grammy Award for Best Jazz Instrumental Solo.  Die Veröffentlichung der Aufnahme von Mai 1977 , erlebte er selbst nicht mehr.

Merkwürdiger Weise gab Scarlattis Sonate in H-moll den Anstoß auf jener Spur weiter zu suchen, die schließlich zu Bill Evans und wieder zurück zu Skrjabin führte. Was trug sich zu?


D. Scarlatti, Sonate h-moll, Ketevan Sepashvili

Zur Vorgeschichte:

Im Sommer 2018 wurden an mehreren Tagen die Aufnahmen zu ZEITÜBERSCHREITUNG, Hymnen & Traktate

eingespielt. Hieraus der Titel Paraphraskrjabin der sich auf Alexander Skrjabin’s Klaviermusik bezieht

Ohne dass ich damals wußte, dass mir etwa ein knappes Jahr später Bill Evans hierzu eine Brücke bauen würde….




… und schließlich wird noch Wagner’s „Tristan und Isolde“ und der sog. Tristan Akkord eine Rolle spielen

Piano Fassung


ZITATE Bill Evans:

  • „Die Kompositionen sollten sich anhören wie improvisiert, wie eine spontane Qualität“
  • „Ein Mensch der Erfolg haben will, weiß um den Beginn und die Größe des „Problems“ und er muß sich hierfür Zeit nehmen, um Freude daran zu empfinden im schrittweise Erlernen.
  • „Es ist besser die Dinge in einer einfachen Weise zu tun, die dann auch realistisch sind, […] dafür verstehst du aber was du tust“
  • There is no freedom without being in reference with something“
  • „Ich glaube, dass alle Menschen im Besitz dessen sind, was man einen universellen musikalischen Geist nennen könnte. Jede wahre Musik spricht mit diesem universellen Geist zu dem universellen Geist in allen Menschen. Das Verständnis, das sich daraus ergibt, variiert nur insofern, als die Menschen auf die verschiedenen Musikstile, in denen der universelle Geist spricht, konditioniert sind oder nicht. Folglich ist oft eine gewisse Anstrengung erforderlich, um Musik zu verstehen, die aus einer anderen Zeit oder einer anderen Kultur stammt als der, auf die der Hörer konditioniert wurde. Ich stimme nicht zu, dass die Meinung eines Laien ein weniger gültiges Urteil über Musik ist als die eines professionellen Musikers. In der Tat würde ich mich oft mehr auf das Urteil eines sensiblen Laien verlassen als auf das eines Profis, da der Profi aufgrund seiner ständigen Beschäftigung mit der Mechanik der Musik darum kämpfen muss, die Naivität zu bewahren, die der Laie bereits besitzt.“
  • Die meisten Menschen erkennen einfach nicht das Ausmaß des Problems, und weil sie es nicht sofort bewältigen können, denken sie, dass sie dazu nicht in der Lage sind, oder sie sind so ungeduldig, es zu bewältigen, dass sie es nie zu Ende bringen. Wenn man das Problem versteht, kann man die ganze Reise genießen.
  • Die Menschen neigen dazu, sich dem Produkt anzunähern, anstatt es auf jeder noch so elementaren Ebene realistisch und wahrheitsgetreu anzugreifen, aber es muss vollkommen wahr und vollkommen real und vollkommen genau sein. Sie würden sich lieber dem gesamten Problem annähern, als einen kleinen Teil davon zu nehmen und damit real und wahrhaftig zu sein. Wenn man sich dem Ganzen auf eine vage Art und Weise nähert, hat man das Gefühl, die Sache mehr oder weniger berührt zu haben, aber auf diese Art und Weise führt man sich nur selbst in die Verwirrung, und letztendlich wird man so verwirrt sein, dass man nie wieder herausfindet.
  • Es gilt für jedes Fach, dass derjenige, der in irgendetwas Erfolg hat, am Anfang eine realistische Sichtweise hat und [weiß], dass das Problem groß ist und dass er es Schritt für Schritt angehen muss und dass er den schrittweisen Lernprozess genießen muss. Sie versuchen, eine Sache auf eine Weise zu tun, die so allgemein ist, [dass] sie unmöglich darauf aufbauen können. Wenn sie darauf aufbauen, bauen sie auf Verwirrung und Vagheit auf und können unmöglich Fortschritte machen. Wenn man versucht, sich etwas anzunähern, das sehr fortgeschritten ist, und nicht weiß, was man tut, kann man nicht weiterkommen.
  1. (Bill Evans im Interview: Universal mind fo Bill Evans)